Jakob Querengässer

IX. Kob im Schwung.

 

Und es war eine ganz andere, hat er gesagt. — Und er hatte recht! — — Oder sollte es doch die Lisette gewesen sein? — — Eine unliebsame Verwechselung! — Sagte der Modelleur nicht so? — — Eine Anspielung. — — Der Herr Rauchenbach weiß doch aber von nichts! — — Sollte die Frau Wirtin? — Eine gescheite Frau ist sie. — Die kleine Anna wollte es freilich nicht Wort haben! — — Halt, da haben wir's ja! Die hat gesagt, dass ihre Tante mit dem Modelleur ganz einig sei. Die steckt hinter dem Runden.“ 'Und es war eine ganz andere!' 'Eine unliebsame Verwechselung!' — Anspielungen! — — Die Wirtin kennt ja den ganzen Kram. Die hat meinen Ring der Anna gebracht; die hat gewiss auch den Strauß an sie besorgt. — Eine gescheite Frau! Eine schlaue Frau! Eine verdammte Frau! — —— Aber Gott sei Dank! Die soll mich nimmer zum Besten haben, diese Kanaille! — Nächten Sonntag unsere Verlobung! — Ich will nur gleich mit meiner Mutter reden! — Die ganze Gesellschaft lach ich aus! Und den Modelleur mit seiner Brunhild und den Pfarrer! Dreimal hätt' sie ihn gerissen, hat er gesagt. Wer? — Das war auf die Lisette gemünzt. Drum sollt ich sagen, dass ich mich geirrt hätt. — Himmelsakerment! — Das sind freilich unliebsame Verwechselungen! Freilich! Und es war eine ganz andere! — Und es war gar nicht Wurscht! — Und wir hatten alle beide den Koller — er und ich! — Und das kommt alles von der unliebsamen Verwechselung! — — Aber sie sollen alle nicht erfahren, wie's hangt und langt. Der Wirtin sag ich, dass ich alles so hätt' haben wollen und dass nur der Bildermolle an all den „unliebsamen Verwechselungen“ schuld wär, der Ochse! — Straf mich Sichel! Is ä krummer Schwur! Aber dem spöttischen Duckmäuser, dem Modelleur mit seiner Brunhild, schleuder ich ihn ins Gesicht, dem Faulenzer!“

So tobte es in dem Kopf des Herrn Jakob Querengässer. Er saß auf der Treppe zum Futterboden. Da kam der Michel gestiegen. Kob erhob sich, um seine Mutter aufzusuchen. Der Knecht drückte sich an ihm vorbei, drehte sich dann aber um und sagte vor sich hin, indem er dem über den Hof schreitenden Herrn nachsah: „Gelle? — ’S is nich richt'g mit'n! On Sunn’ge mit d’r klenn Anna uff'n Berge rim g’luscht, — on halln Mittge! Nun schmeckt'n kene Orbeit nich! Tut kenn Schlog nich! — M'r kenn das. — Do hilft ke Zug un ke Pflaster!“ —

Es war Vormittag. Die Frau Querengässer kochte für ihren Kob sein Leibgericht: Schöpfenfleisch in Zwiebelbrüh mit Mehlklößen. Der Zwiebelgeruch ließ Jakob ahnen, was vorging.

Eine tüchtige Frau, meine Mutter!“

Er trat in die Küche und lehnte sich an einen Türpfosten.

Stumm lehnte er da über fünf Minuten. Er dachte, seine tüchtige Mutter werde von der Kindtaufe anfangen und auf seine Heiratsnot zu sprechen kommen. Das wäre ihm angenehm gewesen. Denn er freute sich darauf, seine Mutter einmal in dieser Richtung überraschen zu können. Er sah im Geist schon ihre Wangen sich röten und ihre treuen Äuglein aus einem lichten Tränenflor herausblitzen. Er sah sie im Glück vor sich herumscherwenzeln und hätte vor Freude darüber gleich „juch!“ schreien mögen, um so lieber, als seine gute Mutter verwichen vor der Wagendeichsel, die ihm plötzlich durch Brust und Kopf geschossen war, einen Schreck bekommen hatte. Sie war seitdem in der heiklen Sache etwas vorsichtig geworden. Übrigens dachte sie im ersten Augenblick, der Kob sei von dem Geruch seines Leibgerichtes in die Küche gezogen worden.

Aber die beharrliche Lehnstellung eines Scheit Holzes fiel ihr doch auf. Vorsichtig sondierend, sagte sie endlich: „Der Kochgeruch hat dich wohl hereingelockt? — Es hat dir zeither immer nicht recht schmecken wollen. Da bin ich auf den Einfall gekommen, einmal eine Probe mit dir zu machen. Lass dir's nur einmal schmecken, dass ich mich drüber freuen kann!“ —

Kob griff mit der linken Hand ans Kinn und sah nach dem Schürloch des Ofens, als ob da etwas Erleuchtung für jene Klemme herausspringen könnte. Er war wahrhaftig in einer heillosen Klemme. Drüben im Wirtshaus die kleine Anna und da in der Küche die gute Mutter: und dazwischen der Kob wie ein Scheit Holz! — Und er wollte sagen: „So ist's ja gar nicht mehr! Sie haben mir die Wagendeichsel herausgezogen!“ Und das konnte Kob nicht! Fatal das! Wie der Pfarrer! Keine Courage! —

Höre, Mutter, ich wollt dir eigentlich was sagen. Es ist mir eine unliebsame Verwechselung passiert.“

Hast doch nich Haber g’sät statt Korn? Der kann den Winter nich vertragen. Von Wintergerste hab ich einmal gehört, aber noch nichts von Winterhaber.“

Da lachte Kob. Und dabei erwuchs der Mutter ein wenig gute Laune.

Es wird so schlimm nich sein, was dir passiert ist. Ich hab aber einmal statt Beifuß Wermut erwischt an den Gansbraten! Da warst du noch klein. „Brrr!“ hat da der Vater gemacht. Und wir konnten meiner Seel den Braten nicht essen.“

Kob lachte wieder. „Das hast du mir noch gar nicht erzählt, Mutter. „Wermut statt Beifuß! Bei mir beinah auch so! Aber es war kein Riechkraut und keine Bitternis. Es ist aber auch was in die Küche.“

In die Küche? Werd mir nur kein Topfgucker, Kob! Überlass das mir, oder führ dazu eine Frau ins Haus! Denk dran, dass sich's bei mir g'schockt hat!“

Das ist’s ja, was ich sag'n wollt; nämlich, dass ich am Sonntag Verlobung halt.“

Da fiel der wackern Frau Querengässer der große hölzerne Kochlöffel, den sie vom Tambauer aus der Schnett gekauft hatte, aus der Hand, und sie stützte die Arme in die Seite und starrte ihren Kob an wie ein Wunder vor ihren Augen mitten in der Küche. Denn er hatte die Rolle des Scheit Holzes aufgegeben und sich ein wenig ins Zeug geworfen, schier wie eine Person von Wichtigkeit.

Frau Querengässer ließ ihren Kochlöffel liegen und sah ihren Sohn noch ein wenig verwundert an. Dann fragte sie kleinlaut: „Und was hast du denn verwechselt?“

Wermut mit Beifuß“, sagte lächelnd Kob. „Es hat sich aber alles in Richtigkeit gestellt, und es ist nun alles in Ordnung. — Aber der Ring kostet mich schweres Geld!“ —

Wenn ihn nur die Rechte gekriegt hat!“

Die Rechte hat'n gekriegt; das ist noch das bei der Geschichte. Die unliebsame Verwechselung hat das zuwege gebracht. Nun ist die Rechte nich die Lisette, sondern die kleine Anna.“

Gott sei Dank, Kob! Mir ist damit ein schwerer Stein vom Herzen! — Die kleine Anna! — Ach, die hab ich mir immer als Schnur gewünscht!“

Und nun ist für mich die Verwechselung nicht unliebsam“, sagte Kob, „und für den Pfarrer auch nich! Das war eine Not, dass wir beide den Koller hatten. Heut abend muss ich noch zum Herrn Pfarrer und muss ihm jagen, dass ich mich geirrt hatte, und dass es nicht Wurscht war.“

Kob, ich werde nicht klug aus dir. Wozu mengst du denn den Pfarrer mit hinein? Was hast du mit ihm?“

Mutter, du bist eine tüchtige Frau! Aber das verstehst du nich! Nicht einmal die Wirtin versteht das, — diese Kanaille! — Und die kleine Anna — ich sag alleweil „Du“ zu ihr — weiß auch noch nich, wie's hangt oder langt. Da gibt's noch viel zu reden und zu machen und zu lachen.“

Wenn von der Sache das Amen gelacht wird, lass ich mir's gefallen. Aber 'n biss’I Gottesfurcht wär doch auch gut dabei! — Wenn du heut abend den Herrn Pastor besuchst, so schick mir nur deine Braut, — ich mein die kleine Anna — vörarscht rüber!“

Da schritt Herr Jakob Querengässer zur Küche hinaus und pfiff sich ein Liedlein. Und seine Mutter guckte ihm nach und schüttelte sachte mit dem Kopf und sagte vor sich hin, als er die Tür zugedrückt hatte: „Grad wie in seinen mutwilligen Jahren! Wen nur nix Ungrads drein kommt!“ — —

Jakob befand sich nachmittags noch in der Rolle einer wichtigen Person. Wie am Geburtstag seiner Mutter schritt er jetzt nach dem Mittagessen durch die Hintertür und auf dem schmalen Wiesenpfad dahin, — heute aber nicht duckmäuserig, sondern in einem Anflug seiner alten Aufgeblasenheit. Wie ein Sieger fühlte er sich. Und doch wissen wir, dass er seinem eigensten Wesen nach beinahe ein Lump ist. In der Kirche hatte ihm diese Erkenntnis sein Leben als eine Torheit vorgehalten. Nun er aber in der kleinen Anna einen so herrlichen Schatz gewonnen hatte, war er wie ein Pfau zum Aufschwung gekommen über Äcker, Wiesen und Mist. Es war nicht der Stolz eines Helden, der ihn erfüllte. Es war die starke Einbildung eines Don Quichotte, die ihm seine traurige Rolle als ein aus eigenem Mut und eigener Tatkraft entsprungenes Heldentum erscheinen ließ. Der Gedanke an die kleine Anna sog jede andere Seelenregung auf. Neben diesem einen Gedanken und dem Bewusstsein, am langersehnten Ziel angekommen zu sein, gab es kein Räumlein mehr in dem Herrn Jakob Querengässer.

Er schritt in großem Wohlbehagen auf dem Pfad dahin, spitzte den Mund und pfiff das vormittags schon eingesetzte Liedlein noch einmal von vorne.

 

Geht ein Knabe durch den Tann,

Weiß nicht, was ihm fehlt

Und was ihn so quält.

Ännchen hinterm Rocken spann

Und mit Tränen netzt

Sie den Faden jetzt.

Niemand weiß das Leiden

Und die Not der beiden.

 

Wüsst’ der Knabe ihre Not,

Käm’ zu ihr er stracks,

Netzte ihr den Flachs,

Färbte ihr die Wänglein rot,

Legt’ um sie den Arm,

Stillte ihren Harm.

Niemand weiß die Leiden

Und die Not der beiden.

 

Gingst du, Ännchen, in den Tann,

Fänd’st den Knaben dort,

Redetest ein Wort:

Hei, wie ging für euch dann an

Eine lust’ge Zeit

Voller Herrlichkeit!

Niemand weiß die Leiden

Und die Not der beiden.

 

Singt’s und pfeift’s hinaus, ihr Leut

In die weite Welt,

Wie es ist bestellt

Um die beiden! Noch ist's Zeit!

Oft es schlimm gerät,

Kommt das Wort zu spät.

Macht ein End dem Leiden

Und der Not der beiden!

 

Jakob hatte alle vier Strophen zu Ende gepfiffen. Da hörte er hinter sich ein dürres Reislein knacken und drehte sich um.

Gehorschamer Diener, Herr Querengässer! — Hob meine Soche selbigmol gut besorgt, nich?“

Vormittags war Kob willens gewesen, der Wirtin zu sagen, dass nur der Bildermolle an den unliebsamen Verwechselungen schuld gewesen sei, „der Ochse!!“ —

Nun, Kob, antworte! —

Er griff mit der Linken ans Kinn und sah an Molle vorbei nach dem harzigen Kieferstock. — „Nicht ganz, Molle! Die Geschenke hat die kleine Anna bekommen; aber der Lisette hast du sie doch bringen sollen!“

Hob's genau besorgt, wie fer en Ferschten! Wenn die Soche contra gegang’n is, do sprach'n Se nur emol mit d’r Fra Wert'n! Die konn mehr wie Brutassen. —

Schlachter Korsch heite, Harr Quarengasser! — Lab’n Se wuhl!“

Molle wollte an dem Herrn Querengässer vorüber. Aber der hielt ihn am Arm fest, zog seinen Geldbeutel aus der Ficke und gab ihm einen Sechskreuzer. — Da estatteten die Winkel des stacheligen Mundes den Ohrläppchen wieder einen Besuch ab.

Ja, sehn Se, Harr Quarengasser, uff mich kenn’'n Se sich verlose wie uff'n Propheten Elias! — Olleweile warn Se bei d’r Lijette wuhl vun Pforrer obgelehst? —

Hob vermittge enn Brief vun Pforrer on se getran.“

Vom Pfarrer einen Brief an Fräulein Lisette? — Molle, du lügst!“ —

Das is meine Sohe nich, Harr Quarengasser! Bin zwor 'n ormer Teifel, ober im Punkt d’r Redlichkeet gih ich 'n Reichsten und Hechsten nich uß'n Wag, un wenn’r nuch merre Ehr'nzeichen hätt wie d’r Bildermolle! — Itze meen ich richtige! — Do weß ih Enn, dar hot e richt'g Kreiz on Frock — nich das, wu de Scheeß'n ongihn — und dar konn lüge, wie gedruckt.“

So schlimm war's nit gemeint, Molle! Denn meine Sachen sind trotzalledem an die rechte Stelle gekommen. — Wo willst du denn eigentlich hin, Molle?“

Will olleweile heem. Kumm vun Trannrude. Nochhar muss ich zum Harrn Poster. Soll en Brief fern nuch Friedeboch trae. D'r Korsch steigt, Harr Quarengasser.“

Das trug dem Molle noch einen Sechskreuzer ein, und schmunzelnd setzte er seinen Heimweg fort.

Querengässer ging über den Gypsberg nach Haus. — „Einen Brief vom Pfarrer an die Lisette? — Wir werden gleichwohl die Sache noch einmal gründlich behandeln müssen. — So hat er mir auf seiner Stube gesagt. Und nun steht er im Briefwechsel mit ihr. — Nichts ist behandelt und nichts verhandelt worden. Hätt’s nicht gedacht, dass der Pfarrer so hinterhaltlich wär. Verhandelt zur Not: vertauscht! — den Kerl! — Heut abend wird ja der heimliche Handel an den Tag kommen.“ —

Damit schlug sich der Kob herum, als er in eine Hohlgasse einbog und der kleinen Anna in die Arme lief.

Wenn ich heut abend zum Herrn Pfarrer geh, sollst du meine Mutter besuchen. Sie hat eine greuliche Freude, dass wir einig sind.“ —

Wir freun uns freilich. — Aber zu Haus bei uns gibt's Jammer und Elend. Der Molle hat einen Brief vom Pfarrer gebracht, und seitdem hat sich die Lisette eingeschlossen und jammert und heult. Es ist gar drüber naus! Weil ich's nicht mehr hören mocht, bin ich fort und will einmal frische Luft schnappen. Meine Tante ist auch außer sich. Wie nur ein Geistlicher solche Sachen machen kann!“ —

Versteh, versteh!“, jagte Querengässer.

Will nur gleich zum Pfarrer. — Kannst einstweilen bei der Mutter einkehrn!“ —

Kob schlug den Weg nach dem Pfarrhaus ein.

Wird doch nicht wieder zu einem Kollerausbruch gekommen sein! — Eine unliebsame Verwechselung! — Herr Gott in deinem Reich! — Was ich alles noch auf's Kerbholz bekomm! — Es ist wahrhaftig zum Tollwerden!“

Plötzlich blieb Herr Jakob Querengässer stehn, griff sich ans Kinn und glotzte einen alten Weidenstock an wie einen Weisen aus dem Morgenland, dessen Meinung er erwarte. „'S ist von wegen dem Koller! — Die Sache ist zu gefährlich. — Ist jetzt erst die Wut darüber ausgebrochen, dass sie ihn dreimal gerissen hat; so muss sie schlimm sein, und ich mag ihr nicht in den Wurf kommen. — Muss erst einmal zur Wirtin! — Eine gescheite Frau! Freilich! Sagte nicht alleweile Molle, sie könne mehr wie Brotessen? — Das hat ihr vielleicht gar der Herr Schulz gelernt. Vor dem hat gleich mein Nachbar, der Koatsmüller, die Beine zurückgezogen wie vor einem Hexenmeister. Ja, ja! Eine Kanaille! — Sollte aber eigentlich nich bös auf sie sein; denn meine Sache hat sie gut gedeichselt. — Aber darum darf ich mir keine Schwäche vor ihr spüren lassen!“ — —

Der Herr Jakob Querengässer steuerte nach dem Wirtshaus. Es war ein saurer Weg für ihn. Aber der Angsthase drasch ihn dermaßen, dass ihm nichts andres übrig blieb. Sein Schritt war sehr stät und bedächtig. Jetzt hätte er keine alte Frau umgeworfen. „Himmelschockmillion!“ Das war die letzte Flamme, die aus seiner bedrängten und beschränkten Seele aufschlug im stillen Wirtshaus, ehe er bei der schönen Wirtin leise anklopfte.

Still.

Kob klopft etwas stärker. — Da wird ein Stuhl gerückt.

Kob lauscht in größter Spannung.

Es öffnet sich die Tür ein wenig, und die Witwe fragt in gedämpftem Ton: „Na, Kob, was bringst du mir? Ich bin unwohl: mach's kurz!“

Ja, Anna, meine Sache ist von großer Wichtigkeit und ist nich so kurz abzumachen. Wirst mich wohl anhören müssen.“

Die Frau Wirtin öffnete weiter und ließ den Herrn Jakob Querengässer eintreten.

Hab erfahren, dass Molle einen Brief an Fräulein Lisette vom Herrn Pfarrer gebracht hat. Kann ich den Brief einmal lesen?“

Kob, du bist unverschämt! Wie kannst du den Brief lesen wollen, den ein Mädchen von einem Herrn bekommen hat?“

Wenn dir’s nich passt, kann ich auch wieder gehn. Macht, was ihr wollt! Ihr denkt wohl, es wär mir alles Wurscht? Das ist nich der Fall. Wenn ich's einmal gedacht hab, so ist das alleweil wieder andersch. — Du hast mich um die Lisette gebracht, und ich hab die Lisette um den Pfarrer gebracht. So steht's, Anna! — Is das nich so?“

Die Wirtin starrte den Kob an, als wollte sie rufen: „Bist du verrückt!“ — Dann trat sie einen Schritt näher und schüttelte ihn am Arm: „Kob, was sagst du da? — Du? — Sie dehnte das „du“ gewaltig.

Iche! Versteht sich, Frau Anna! — Und es kostet mich nur ein Wort, so hat sie ihn wieder.“

Da ließ sich die schöne Witwe mit der ganzen Wucht ihres Leibes auf das Sofa plumpsen, dass sie von den Federn wieder ein wenig in die Höhe geschnellt ward.

So sprich das Wort, alberner Kob!“

Wenn ich den Brief zu Iesen krieg.“

Den kriegst du nicht. Die Lisette tät sich schämen wie ein vergesslich Kind! — — Das hab ich nicht an dir verdient, Kob!“

Ganz Wurscht! — Macht, was ihr wollt!“

Damit ging Kob zur Tür hinaus und drückte sie hinter sich zu. — Er machte sie aber gleich wieder ein wenig auf, steckte den Kopf in die Stube und tief hinein: „Will's tun! Es ist aber nur der kleinen Anna wegen! Nächten Sonntag ist unsere Verlobung.“

Fort war der Kob. Und die schöne Wirtin plumpste wieder auf das Sofa und schlug einmal über das andremal die Hände zusammen.

Keine Ahnung! Die gescheite Frau mit ihrem Faulenzer! — Anspielungen! — Die gibt's bei mir nicht. Da kommt's von der Leber herunter, wie sich's angesetzt hat. — Gelle, nun sitzt ihr da und greint und schlagt die Händ zusammen! Viel hab ich auf dem Kerbholz, — aber die Kanaille noch viel mehr. — Es macht mir nur Spaß, dass ich dem Elend mit einem Wort ein End machen kann. Sie soll'n sich noch alle bei dem Jakob Querengässer bedanken!“ — Dabei rieb sich Kob die Hände und warf sich in die Brust wie ein echter Don Quichotte.

Da war er schon am Pfarrhaus. Und nun sank die Gestalt wieder zusammen zu der eines armen Sünders. Das Dreschen des Angsthasen wurde wieder heftiger. „Himmelkreuz . . .“ Mit einem Fluch klingelte der Lump am Eingang des Pfarrhauses.

Aber 'n bissl Gottesfurcht wär doch auch gut dabei!“

Sonderbar, dass dieses Wort seiner lieben Mutter jetzt dem Kob im Ohr klang! — Ehe es zur Kindtaufe kommt, werden die Frauenzimmer, die keine Anna und die Frau Mutter, den Kob schon nach ihrem Geschmack herrichten. Zu einer eichenen Wagendeichsel im Kerl wird's nicht wieder kommen. Es sind prächtige, liebe, gute Frauen, denen der Kob anheim gegeben sein wird.“

Ei, sein Sie schön willkommen, Herr Querengässer! Sie haben lange auf sich warten lassen. Gleichwohl freu ich mich, dass es endlich einmal zwischen uns zur gründlichen Aussprache kommen kann.“

Sie hatten mir einen Brief aufsetzen sollen an Fräulein Lisette. Da kam's zum Krieg zwischen uns, — nicht wahr, so war die Geschichte, Herr Pastor?“

Einigermaßen, ja! — Aber nun sind wir darüber hinweg!“ —

Darüber hinweg? Gott bewahre, Herr Pastor! Es soll nun erst anfangen! — 'Gleichwohl werden wir die Sache noch einmal gründlich behandeln müssen.' Das war Ihr letztes Wort nach unserm Krieg. Aber Sie haben nicht Wort gehalten.“

Mein lieber Herr Querengässer, seitdem sind eine Reihe Wochen vergangen. Aber Sie haben nichts von sich hören und sehen lassen. Sie hätten sie an ich gedrückt, war Ihr letztes Wort. Und der Molle könne das beschwören. — Damit war doch alle Aussicht auf Erfolg einer gründlichen Behandlung der Sache abgeschnitten. Und je Iangmütiger ich in meiner Geduld ward, desto beharrlicher sind Sie in Ihrer Zurückhaltung verblieben. Ich habe schwer gelitten in diesen trägen Wochen. —

Und nun haben Sie einen Brief an sie geschrieben und sie sitzt daheim und heult und jammert.“

Wer?“

Die Lisette!“

Die Sie gedrückt haben?“

Gott bewahre! Es war eine ganz andere!“

Der Herr Pfarrer schoss dicht an den Herrn Querengässer hinan mit drohender Gebärde, so dass dieser auf einen Stuhl zusammensank, blass vor Schrecken und schrie: „Ich hab mich geirrt!“ —

Da fielen die Arme des Herrn Pfarrers kraftlos herunter, und der Schwergeprüfte sank wie vernichtet auf sein Sofa.

Unliebsame Verwechselung! — hat der Modelleur gesagt!“ —

Nach einiger Zeit erhob sich der Pfarrer, öffnete die Stubentür und begann hinaus und herein zu marschieren wie ein Major. Endlich blieb er vor dem Herrn Querengässer stehen und schrie ihn an: „Er ist ein dummer Mensch!“

Kob rührte sich nicht auf seinem Stuhl. Und der Herr Pfarrer marschierte in seinem Zorn auf und ab, aber diesmal ohne Begleitung seiner Königin. Hinter dem Kob fing das Ferkelchen an zu grunzen, wenn der eigentümliche Ton nicht etwa gar von dem Herrn Jakob Querengässer selbst kam; denn es arbeitete in seiner Brust wie verhaltene grunzende Klage.

Der Gang des Pfarrers mäßigte sich. Er blieb zwischen Hausflur und Stube einen Augenblick stehen, und es floss ein Schein durchs Fenster auf das Antlitz des Mannes. Dann trat er wieder an den Herrn Querengässer heran und sagte in versöhnlichem Ton: „Sie dürfen mir das nicht übel nehmen, Herr Querengässer!

Also doch geirrt! — Und Fräulein Lisette jammert wegen meines Briefes?“

Jawohl, Herr Pastor! Muss ein gewaltiger Brief sein. Wollte ihn schon von der Frau Wirtin haben. Aber da bin ich schön angekommen. Sie lassen mir ihn gewiss einmal in der Abschrift lesen, Herr Pastor?“

Ist durchaus nicht nötig, Herr Querengässer! — Wissen Sie noch nicht genug? — Ich weiß bereits genug, — weiß nun, was ich zu tun habe. — Gehen Sie nach Haus und behalten Sie mich in gutem Andenken! — Gleichwohl können wir später einmal die Sache ausführlich behandeln.“

Bald darauf sah man den Herrn Pfarrer ernsten Schrittes nach dem Wirtshaus gehen, um dessen obzuliegen, was ihm zu tun übrig geblieben war.