Die Herbstsaat hatte begonnen. Es war ein herrlicher, sonniger Tag. Kein Lüftchen regte sich. Die Herbstblumen zwischen Stoppeln und an Rasenrändern, Schlehen- und wilde Rosenhecken sind mit zarten weißen Fäden übersponnen, als stehe die stille Flur heute dem Walten der unsichtbaren spinnenden Frau Holle zur Abschiedsvisite offen. Die eben vom Sonnenstrahl getroffenen Tautröpfchen blitzen und funkeln wie aus dem Geschmeide der hohen Frau herausgefallene Diamanten.
Oder sind es die Tränen, die sie dem vom Eberzahn verwundeten Gemahl nachweint?
Jakob Querengässer wendet seinen beiden an der Halde ackernden Knechten den Rücken, steigt höher und höher empor und verliert sich eben zwischen spärlich bewachsenen Felsenstühlen und Tafeln und setzt sich vor einer aus grotesken Muschelkalkgebilden herausglotzenden Höhle nieder wie ein Erdgeist vor seinem Gemach. Er fuhr sich mit der linken Hand ans Kinn, als wär’ er in Verlegenheit. Und das war er auch. Seit jenem Tag, da er von der Unklarheit darüber, ob er oder der Herr Pfarrer den Koller habe, befallen worden war, war es mit dem Kob nicht mehr auszuhalten. Was süß war, das nannte er sauer, was ordentlich war, verkehrt. Seine Mutter schüttelte den ganzen Tag den Kopf über den Kob. Sagte sie Anna, sagte er Lisette.
An der Lisette hing das ganze Elend. Und der Kob hatte beim Pfarrer gemerkt, dass für den auch alles Elend an der hing. Den sollte sie sogar dreimal gerissen haben, wie ihn Kob verstanden hatte.
„Die Sache kann nicht stimmen. Entweder hat sie mich zum Besten oder den Pfarrer. — Er hat selbigmal „Halt!“ kommandiert wie ein Major. — Ich hab auch schon so gedacht. Aber das hilft bei den Weibsleuten nichts, wenn sich die einmal was in den Kopf gesetzt haben. — Und wenn ich mich in Gedanken so mit dem Pfarrer und der Lisette herumschlage, da zupft's mich öfter am Ohr, und wenn ich mich rumdreh', steht die kleine Anna da. — Ja, wie ich damals dort im Wirtshaus so fest gesessen habe wie auf dem Kieferstock, da hat mir die Beschke so fetzenmäßig in die Augen geguckt! — Seit der Zeit zupft's mich! — Es ist ordentlich, als hätt' sie mir's jesmal angetan. — — Aber ich hab doch nun einmal die Lisette an mich gedrückt. — Und es hat ihr gut gedeucht! — Und der Strauß war ihr doch auch recht! — — — Himmelkreuzdonnerwetter! — Der Koller bricht aus!“ —
Jakob rückte unruhig vor dem Gemach des Erdgeistes hin und her. Da zupfte es ihn ein wenig am Ohr. Aber es war nicht die kleine Anna, als er sich umsah. Da stand hinter ihm in der Höhle ein kleines Männlein mit großem, grauen Bart. Das zog seine große Zipfelmütze tief vor dem Herrn Jakob Querengässer und machte einen gewaltigen Diener wie vor dem Kaiser. Dann setzte er seine Mütze wieder auf und hielt vor sich hin einen prächtigen Ring. Den drehte er spielend hin und her, dass er Funken sprühte. Die Funken kamen von einem wasserhellen Stein im Ring. Es wird wohl ein Diamant gewesen sein. Denn wo die Erdgeister wohnen, da gibt's diese Steine. Und man sagt, sie seien die Herren von den unterirdischen Schätzen.
Jakob war sprachlos. Es kam zwar eine große Furcht über ihn, dass er am liebsten hätte fliehen mögen; aber der funkelnde Ring mit dem feuersprühenden Stein übte einen so gewaltigen Zauber auf ihn aus, dass ihm alle Glieder schwer wurden und er leise zu zittern begann.
Er hatte wieder Glasaugen bekommen wie vor dem kollernden Pfarrer. Der Erdgeist barg den Ring in seiner braungrauen Kutte und redete den Herrn Jakob Querengässer also an:
„Du Menschenkind
Bist recht in Not!
Nicht wahr, ich rate recht?
Wo Menschen sind,
Da wohnt der Tod
Im weiblichen Geschlecht!
Im Leben schenkt
Es euch den Tod.
Ob klug ihr’s Ienkt:
Ihr seid bedroht
Von Todesnot.
Und wenn ihr denkt,
Dass Glück es bot,
Hat sich gesenkt
Zum Untergang
Das Lebensboot.
Dem Freudendrang
Folgt Mutterzwang.
Die zarte Frucht
Birgt schon den Wurm.
Wo Ruh ihr sucht,
Packt euch der Sturm.
Wir Unterirdischen lachen drob,
Geht’s mit euch in die Brüche.
Die Mädchen führ'n den klugen Kob
Noch in des Teufels Küche.
Vertrau’ dich mir:
Ich helfe dir.
Mit Gold und Edelstein
Fängst leicht du Eine ein.
Die Rechte muss es sein:
Dann ist dies Ringlein dein.“
Dabei ließ der Erdgeist seinen Ring wieder funkeln und leuchten. Da aber der erste Gedanke die Lisette war, machte der Zwerg wieder seinen großen Diener und verschwand mit dem Ring laut lachend in der Höhle.
Das Glasauge Jakobs hatte längst wieder Seelenglanz gewonnen. Aber was er jetzt erlebt hatte, das ging doch noch über die Halluzinationen des Pfarrers, über seine Königin auf dem vierräderigen Postament, über das Sonneberger Hühnchen und über das Ferkelchen.
„Herrgott Sakerment! — Und ich war so dumm und habe nicht gefragt, wer die Rechte ist. — Gold und Edelstein! — So einen Ring bekomm ich auch beim Goldschmied Zieger. — — Wahrhaftig! Einen Ring kauf ich für sie, — einen goldenen mit einem Blitzstein. — Mit Blumen kann ich nicht wieder kommen. Dass der Schwerenöter so notwendig hatte! Hätte er noch ein wenig nur gewartet! —
Die Rechte wär mir schon noch eingefallen. — Weshalb er nur das weibliche Geschlecht so runter gemacht hat? — Wahrscheinlich hat er auch im Heiraten Pech gehabt. — Wenn so ein Knirps keine kriegt, so ist das kein Wunder. Nun als alter Kerl mit grauem Bart hat's gar ein End. Das ist seine Wut! — Wenn man aber eine einmal an sich gedrückt hat: das ist was anderes! — — Dem kleinen Kerl hab ich aber doch den großen Gedanken vom Ring — Gold und Edelstein — zu verdanken.“
Kob grübelte weiter. Das graue Männlein muss doch gar der Ansicht sein, die Lisette sei nicht die Rechte für mich. Aber was weiß der? Ich muss das besser verstehn. Wenn er in diesem Fach was verständ, hätte er selbst sich nicht anschmieren lassen. Wir sind gewitzigt worden, auch der Modelleur von wegen den krummen Beinen.
Dabei war die Dämmerung bereits auf den Berg heraufgestiegen und hatte nicht übel Lust, dem Kob eine Binde vor die Augen zu legen. Das musste er doch gemerkt haben, und er griff mit der linken Hand ans Kinn, erhob sich und machte sich wie ein Träumender davon feldeinwärts.
Die Knechte waren bereits im Pferdefüttern begriffen. Und der Michel sagte zum Peter: „Unser Herre hot mol seine deschperaten Launen!“ — „Siehste, Michel, das freit mich, wenn dar aach emol 's Wärmerbeißen hot. Siche Karl wissn ’s ganze Johr nich, wo en Hund ’s Bein entzwei is!“
„Ja, aber da hilft weder Zug noch Pflaster!“
„Was meenste enn zu der G’schichte mit 'n Modelleur?“
„Weß von nix nich. Wos menste enn?“
„Nachten obends kumm ich — ’s wor schun dammerig — aus der Schmidde und gih hinten wag; do sitzt dar Kunde mit der Wert'n do on Ranne und hot se in sen Orm’n.“
„Is nuch nich ’s Schlimmste! Sin gu ollebede Ied’g!“
„Wenn ich mol uns'n Kob so erwische tät, do wollt ich ober etliche Knaller tue mit meiner Peitsche — hast de nich g’sihn! Dar sellte z’samm fohre wie e Toschenmasser!“
„Dann? Wetztde, dordrzu is uns’r Kob zu dumm!“
„Hahaha!“ — Nun lachten sie sich eins.
Am nächsten Vormittag ackerten die Knechte weiter an der Halde. Frau Holle war wieder auf dem Plan und spann im Sonnenschein am Altweibersommer und schmückte die Flur mit einem zarten Schleier wie zur Hochzeit. Und es flogen von ihrem Gespinst zarte Flöckchen in der Luft, und es hing sich eins davon an einen braunen Mädchenzopf, ein anderes an den Trauerflor am linken Arm eines Witmanns, ein drittes an das Myrtenstöckchen am offenen Fenster der kleinen Anna, wieder ein anderes an den Schnabel eines Rebhuhns im Rapsacker, dass es ihn an der Erdscholle wetzte, und so fort, bergauf, talein.
Der Herr Jakob Querengässer stand zu Haus am Spiegel und kämmte seinen Scheitel zurecht, setzte dann den Hut auf, nahm den Stock hinter dem Uhrkasten hervor und ging wichtigen Schrittes nach der Stadt zum Goldschmied Zieger.
„Ei Diener, Herr Querengässer! Womit kann ich Sie dienen?“
Kob griff mit der linken Hand ans Kinn und sah nach einem silbernen Tafelaufsatz, der vor dem Fenster stand. —
„Gibt ein schönes Geschenk! Wünschen der Herr Querengässer etwa was zu einer silbernen Hochzeit für bessere Leute, vielleicht für gute Bekanntschaft in der Stadt? — Sie bekommen das billig! Ein wahres Kabinettstück!“ —
„Bewahre! Such was kleines, aber was apartes!“
„Wassn Se wünschen!“
„Was rundes von Gold, das funkelt und blitzt.“
„Aha! Einen Ring! — Hier, Herr Querengässer!“
Und der Herr Goldschmied schlug ein Etui auf mit einer kleinen Auswahl von Ringen.
„Hier, bitte zu wählen!“
Der Blick des Herrn Querengässer streifte flüchtig die Auswahl, traf den Goldschmied von der Seite und verlor sich dann im Unbestimmten.
„Herr Zieger, ich möchte einen Ring von echtem Gold mit einem wasserhellen Stein, der blitzt und sprüht.“
„Aha! Das wär ja ein Diamant! Habe ich leider nich vorrätig. Solche Ware ist teuer. Aber wenn Sie 50 bis 100 fl. anwenden wollen, so lass ich was davon kommen zur Auswahl.“
Da griff sich Kob wieder ans Kinn. — „Die Mädchen führen den klugen Kob noch in des Teufels Küche!“ — So klang es wie ein Echo aus der Höhle her.
„Eine Kuh! — Einen Ochsen! — Himmelkreuzdonnerwetter! — Gestern hätt ich das Prachtstück umsonst gehabt! — Der Teufel aber weiß, welche dem Knips recht ist! — Was da? — Mir muss sie recht sein!“ —
Und laut sagte der Herr Jakob Querengässer: „Gut! Bestellen Sie was Guts! — Wann soll ich wieder kommen?“
„In acht Tagen, Herr Querengässer!“
„Was heut vorgekommen ist, das war noch nicht da. Der Jakob Querengässer hat einen Ring bestellt, der eine Kuh kostet. — Eigentlich ein wenig voreilig!“ — So ging es dem Kob im Kopf herum. „Aber was gestern vorgekommen ist, das kann heut wieder passieren! — Allemal! — Muss nur einmal nach den Knechten sehn.“ —
Er wandte sich von der Stadt aus der Halde zu, wo sie ackerten. Auf dem Weg dorthin begegnete ihm der Bildermolle. Er hatte sich wieder in burlesker Art herausgeputzt. Der Mond war ins zweite Viertel getreten, und die Sonderbarkeiten des Johann Ludwig Molle fielen gewöhnlich in die Zeit des zunehmenden Mondes. Sein Bart glich wieder einer Fichten-Schonung. Seine Ehrenzeichen, Orden und Bänder verrieten es, dass der Mann andere Gedanken im Kopf herumtrug wie gewöhnliche Leute. Molle „fühlte“ sich heut und zog mit respekteinflößendem Schritt einher.
„Ei guten Abend, Harr Quarengasser? Wie stiht dr Korsch?“ —
„Wo kommst du her, Molle?“
„Vun Öberlanne, Hob emol die Bekanntschoft aufgesucht. Muss mich immer dann und wann emol im Preiß'schen zeige, dass'n se in ihrer Rulle beib’'n vun wagen 'n Schnitt!“ — Dabei hielt er die Hand an den Hut wie zu einem Offiziergruß, und die Winkel des ohnedies schon breiten Mundes rückten beinahe bis an die großen Ohren. „Guck'n Se, Harr Quarengasser, wenn ich ins Preiß’sche kumm, do hot m’r nuch merre Respekt ver mir wie in dan klenn Staaten. Do stiht dr Korsch nuch besser! — ’S posst Ihn'n doch olleweile nich, Harr Quarengasser?“ —
Das verstand Kob sehr wohl und gab dem Molle einen Sechskreuzer.
Da stattete der Mund des Molle den Ohren wieder einen Besuch ab, und der Kopf kam in dienernde Bewegung: Guter Korsch! Dante schiene, Harr Quarengasser!“
Der Beschenkte hatte bereits seinen Schritt in herrlicher Wichtigkeit wieder eingeschlagen. Da rief ihn Kob zurück.
„In ein Tager achten komme einmal gegen Abend zu mir und frage an, ob ich nich einen Auftrag für dich hätt.“
„War kumme!“ Und er lächelte verschmitzt und neigte sich mit besonderem Fleiß nach dem Herrn Querengässer hin wie im Einverständnis: „Ja, Freilein Lisette! Is sehre schiene, schänner als d' Fra Wertn!“ —
Molle verstand es, seiner „Kundschaft“ Angenehmes zu sagen. Das war seine Kunst, den „Korsch“ in die Höhe zu bringen. Querengässer gab ihm noch einen Dreikreuzer und stieg dann seinem Acker zu.
Für die Knechte hatte er verschiedene Schimpfreden, weil sie zu flach geackert hätten und dem Rasen des Randes nicht nahe genug gekommen wären. Zankend stieg er höher und kam an die Höhle, wo er gestern die sonderbare Bekanntschaft gemacht hatte. Da setzte er sich gedankenschwer wieder auf dasselbe Fleckchen.
„Was gestern vorgekommen ist, das kann heut wieder passieren! Allemal!“
Eine wetterzerzauste Fichte und eine von dem dahier vorherrschenden Westwind schiefgedrückte malerische Kiefer warfen ihre gigantischen Schatten an dem Kob vorbei wie riesige Abbilder seiner Seelendunkelheit. Diese einsamen, vom Wald verlassenen Bäume schauen wie Trotzköpfe hinein in die Welt, als verzichteten sie auf jedwede Sympathie alles Lebendigen. Wenn nicht vom Wurzelursprung der Fichte aus sich ein mächtig großer Ameisenhaufen am Stamm empor geschichtet und die Kiefer nicht einen Hornissenbau zu schützen gehabt hätte, so wären die armen Teufel noch ärmer gewesen als der Pfarrer und Kob.
Die Trauerrunen im Antlitz des Herrn Jakob Querengässer veränderten sich. Der Ringmann kam nicht wieder. Dem Kob trat eine Kuh vor das Auge, dann gar ein Ochse. Die Trauerrunen schlugen um in Trotzspuren. Kob sprang auf und rief in die Höhle hinein: „Elendiger Kunde! Behalte deinen Ring! Ich habe nicht nötig, dich anzubetteln. — Willst mir auch noch Bedingung stellen? — Und du verstehst vom Heiraten weniger als unsereiner.“
Die Zornsalve hatte ihre Dienste getan; nicht an dem Zwerg, wohl aber an Kob. Der fühlte sich leichter und weniger bedrückt. Er hatte sich an den Knechten schon erleichtert; die Hauptlast aber hatte er in die Höhle abgeladen. Der Ochse vor seinen Augen hatte der Ruh wieder Platz gemacht, und diese schrumpfte endlich zusammen zu einem Jährling.
„Der alte Zieger ist eben ein Aufschneider. Das wissen wir ja längst. — 40 Gulden! — — ach, 30 Gulden! —— — vielleicht schon 20 Gulden! — Warte, wir Iassen uns noch lange nicht ins Bockshorn jagen! — Dem Molle auch wieder 9 Kreuzer an den Hals geschmissen!“ —
Im Bett noch räsonnierte Kob weiter, bis aller Unrat von der Leber herunter war. Aber sein Schnarchen klang dann noch schlechter als sein Zanken.
„Guten Morgen, Herr Querengässer!“
So grüßte acht Tage später die kleine Anna den Kob, als sie eben hinter einer Hecke hervortrat und unvermutet auf ihn stieß. Kob war so erschrocken, dass es kein Blut gegeben hätte, wenn er alleweile von seinem Barbier geschnitten worden wäre. Er dankte kleinlaut und blieb stehen.
Die kleine Anna hatte die Augen ein wenig nieder geschlagen und war schön rot geworden bis an die Ohren. Und als sie ihre Augen aufschlug und zu dem Kob aufschaute, leuchtete es ihm warm tief in das Herz hinein. Und er konnte nicht sogleich wieder hinwegschauen von diesen Augen. — Aber Kob griff mit der linken Hand ans Kinn und schob an der Anna vorbei, indem er „Adjes“ sagte.
Anna schaute ihm nach, so lange sie ihn sehen konnte. Dann sagte sie: „Wenn's halt dunkel gewesen wär!“, und setzte ihren Weg fort nach dem „Pfaffengarten“.
Jakob Querengässer aber war auf dem Weg nach der Stadt, um bei dem Goldschmied Erkundigung einzuziehen in der Ringangelegenheit.
„Ei Diener, Herr Querengässer! Freit mich sehr, dass'n Se komm’n. Gestern sin drei Ringe eingelaufen. — Da, nun such'n Se sich raus, was'n Se wünschen!“
Damit öffnete der Alte drei Etuis und pflanzte sie in guter Beleuchtung zur Ansicht auf.
„Nun, der Preis, Herr Zieger?“
„Der da — ein Kabinettstück ersten Rangs — kostet 75 Gulden. Der Preis ist nich ganz so hoc, wie ich gedacht hatt. — Der da — den kann schon ein Graf tragen — kostet 50 Gulden, und der geringere 40 Gulden. — Alles echt und extrafein! — Nun entscheiden Se sich!“
„Wie ich dacht. Ein Ochs braucht's nicht zu sein, — nicht einmal eine Kuh! Der Jährling tut's schon. — Aber die Lisette ist's schon wert. — Was mir der alte kleine Weiberfeind hingehalten hat, mocht freilich wertvoller sein! Und geschenkt! — Aber zu ändern ist's nunmehr nicht. Der kleine Dickkopf wird sich wohl nicht wieder sehen lassen.“ —
So ging's dem Kob im Kopf herum. Er nahm den Vierzigguldenring heraus und ließ ihn im Licht blitzen. Da fuhr's wie ein leuchtendes Johannisfünkchen dem Kob durchs Gesicht, fast als ob es ein freudiges Lächeln wäre.
„Ich will Sie was sag'n, Herr Zieger. Zwanzig Gulden geb ich. Woll’ns kurz machen.“
„Sie spaßen sich, Herr Querengässer! Da will ich nur die Ringe alle drei wieder retour schicken. Das heißt, Sie müssen aber die Unkosten tragen. Auf solche Ware so ein Spottgebot zu tun! Das hätt ich nicht von Sie gedacht.“
Der alte Zieger hatte bereits die noch offenen Etuis zugeklappt und streckte die Hand aus nach dem noch in der Hand des Kob sich befindlichen dritten Ring. Kob aber behielt ihn und steckte sich ihn an den Goldfinger, um sich noch ein Weilchen an dem Blitzstein zu ergötzen.
Nach einer ziemlich zähen Feilscherei kam Kob für dreißig Gulden in den Besitz des Ringes. Und als der im zugeklappten Etui geborgen war, musste der Goldschmied eine gute Verpackung desselben vornehmen. Dann verabschiedete sich Kob mit seinem Wertstück.
Nachdem er die Tür hinter sich zugedrückt hatte, fuhr er mit der linken Hand ans Kinn. Es kam ihm vor, als habe er einen dummen Streich begangen.
„Wir Unterird’schen lachen drob,
Gehts mit euch in die Brüche.
Die Mädchen führ'n den klugen Kob
Noch in des Teufels Küche.“
So klang's dem Herrn Jakob Querengässer aus der Höhle heraus im Ohr. Gedankenschwer schritt er durch die Straße. —
Seine Mutter sah ihn über den Hof kommen und machte dabei gerade nicht das freundlichste Gesicht. Der Kob machte ihr Sorge. Der Geist des Widerspruchs wuchs in ihm. AIl seine Äußerungen, die ohnehin immer spärlicher wurden, verrieten das. Die Mutter wandte sich vom Fenster ab, um den Mittagstisch zu bereiten. Als sie damit fertig war, trat Kob, der sich unterdessen seines Stadtstaates entledigt und in seine Hauskleidung geworfen hatte, an den Tisch und setzte sich auf den für ihn freigelassenen Stuhl. Die Dienstboten ließen es sich bereits schmecken.
Kobs Appetit gefiel der Mutter nicht. „Der Kob wird immer obstinater. Und ich bleib dabei, dass die Wirtslisette die ganze Ursache ist. — Und die nimmt ihn nicht einmal! Die hat große Rosinen im Kopf. — Und wenn er sie kriegen tät, wär's aus mit mir.“ — So ging es der Frau Querengässer in ihrem schönen Mutterkopf herum.
Die Dienstboten waren bereits ihrer Arbeit nachgegangen. Aber Kob saß noch fest auf seinem Stuhl und stützte mit zwei Händen den Kopf, als würde er ihm zu schwer.
Wenn auch der Stoff, aus dem sich die Gedanken gestalten, nicht auf der Krämerwage gewogen werden kann; wenn er auch viel dünner als die Luft und unkörperlicher ist als der Äther: er kann so wuchtig werden, dass er einen Stier- oder Hirschnacken beugt.
Brauchte der Kob zwei Hände, seinen Kopf zu halten, so war das leicht erklärlich. Denn es staken jetzt zwei derbe Frauenzimmer darin. Wenn die Lisette auch noch die Herrschaft übte: das Gewicht der kleinen Anna wurde mit jeder Stunde mächtiger.
Die Frau Querengässer räumte den Tisch ab. Und als sie an die Seite ihres Sohnes kam, stieß sie ihn mit ihrem Ellenbogen ein wenig an und sagte: „Jakob, wie soll's denn mit der Kindtaufe werden, von der der Herr Pfarrer zu meinem Geburtstag gesprochen hat? Mach Ernst in der Sache! Du wirst alle Tag älter und ich mit. — Die kleine Anna! Das wär eine Schnur für mich! Die Frau Wirt'n hat's verwichen auch gemeint. Und die Anna ist so gut und so freundlich gegen mich, als wär sie schon ganz einig mit dir.“ —
Da sprang Kob auf. Sein Kopf stand auf einmal so strack und fest zwischen den Schultern, als würde er mit Hals und Brust inwendig von einer eichenen Wagendeichsel zusammengehalten. Dass die Mutter einen Zwiespalt in ihm erraten und offenen Herzens darauf hingewiesen hatte, das fuchste den Kob gewaltig. Ein Trotz, der sich der Mutter gegenüber noch nie gezeigt hatte, bemeisterte sich des Kob dermaßen, dass er noch am Abend desselben Tages den Blitzring an Fräulein Lisette durch den Bildermolle abgehen ließ. —
„Zur Hochzig bekommst du einen neuen Anzug von mir!“ —
„Schiene, sehre schiene, Harr Quar'ngasser! War meine Soche schun moche!“