Jakob Querengässer

I. Drei Junggesellen.

 

Der Landwirt Jakob Querengässer, ansässig in einem kleinen Dorf, hatte ein ansehnliches Bauerngut von seinem Vater geerbt und trug als junger Bursche schon mit dem Bewusstsein, einziger Erbe des respektabeln Hofes zu werden, ein wenig Dünkel im Kopfe und ein wenig Aufgeblasenheit in der Brust. Seine Vorfahren waren alle über einen Leisten geschlagen; ihr einziges Interesse war auf Erweiterung und Verbesserung ihres Besitztumes gerichtet. Nur darum drehte sich ihr Sein.

Der Vater des Jakob konnte außer seinem Namen nur wenig schreiben. Das Rechnen hatte er an seinem Vieh, den Getreidegarben und dem Geld gelernt. Man hatte aber zur Zeit, da der kleine Jakob in die Schule geführt werden musste, von obenher schon ein schärferes Auge für die Volksschule bis in das kleinste Dorf hinab. Trotzdem hatte „Kob“ – so nannten ihn seine Mitschüler – nicht viel aus der Schule für das Leben mitgebracht. Sein Lehrer „nahm sich der Sache nicht zu heiß an“, und Kob fühlte sich ganz wohl dabei und trug die Würste nach dem Schlachtfest, oder die Eier, eine Ente oder Gans auf das Geheiß des Vaters oder der Mutter voll rührender Dankbarkeit in die Schule.

Nachdem Jakob seiner Militärpflicht genügt hatte, starb fein Vater. Der Sohn begann bald den gestrengen Ökonomen herauszubeißen in Hof und Flur, und die Knechte und Mägde sahen die Fersen ihres Herrn lieber als die Stirne. Da hatte die Witwe Querengässer immer zu schlichten und auszugleichen, wo ihr fahriger Sohn Unebenheiten und Runzeln hervorgerufen hatte. Die gute Mutter war so eigentlich der Halt für die ganze Wirtschaft. Auch für den Jakob war sie der gute Geist. Denn sie liebte ihn gar sehr und vermochte gar viel über ihn. – Jakob war ja im Grunde genommen auch gutmütig und hielt, wie sich das von selbst versteht, ein großes Stück auf seine Mutter.

Er verkehrte in den Stunden geselliger Erholung wenig mit den Bauern, sondern pflanzte seine Person lieber im Extrastübchen des Wirtshauses auf. Schon seit einigen Jahren bekam der Dorfschneider nichts mehr von ihm zu verdienen; ihm war nur ein Stadtschneider noch gut genug. Und sein feinerer Verkehr machte es auch nötig, seine Wäsche einer Bügelfrau in der nahen Stadt in Behandlung zu geben.

Ob die Mutter auch manchmal im Stillen mit dem Kopf dazu schüttelte, so glänzte doch ihr Gesicht in Liebe und Freude, wenn ihr Kob so statiös dem Wirtshaus zuschritt, oder sich in die Stadt aufmachte zum Wochen- oder Jahrmarkt.

Sie hätte es gar zu gerne gesehen, wenn ihr der Sohn bald eine tapfere Schnur ins Haus geführt hätte. Wenn so eine Mutter den Fuß ins Alter setzt, denkt sie: der Mensch ist sterblich, und mit den Jahren rückt man dieser Fatalität immer näher und möchte doch, eh’s zum letzten Stündlein kommt, den Haushalt des Sohnes in Ordnung sehen und – so Gott will – das Enkelchen prüfen auf seine Ähnlichkeit mit dem Jakob oder der Rahel, – auch seine alten Wiegenlieder einmal repetieren.

 

Sola, sola, sola!

Dort ub’n kümmt a Mola,

Dort ub’n kümmt a Krippelkrabbel,

Sall mei Klens nich ertappel.

oder:

Suße, Köbchen, suße!

D'r schwarze Mann is duße!

oder:

Schaffarla, wu sin deine Hammala?

 

Wenn die Frau Querengässer am Sonntag nachmittags auf der Tischecke vor dem Fenster saß und Strümpfe für den Kob strickte, und es zogen ihr derlei Lieder durchs Herz, so bekam sie rote Bäckchen, und ihre treuen Augen fingen an zu glänzen.

Aber der Jakob stolzierte in einer Distance von fünfundzwanzig Jahren Minute um Minute, Stunde um Stunde, Jahr um Jahr hinter der Mutter her durchs Leben, immer tapfer der Fatalität entgegen, ohne das geringste Verständnis für die Sehnsucht seiner Mutter zu zeigen. Kam er einer Bauerndirne zu nahe, so bereute er es bald wieder; schlug er sich zu weit unter die Zugeknöpften, so erntete er Ärger. So ward er von seinem Dünkel und seiner Aufgeblasenheit wie ein Spielball zwischen Reue und Ärger hin und hergeworfen ein Jahr ums andere. Und der gleichmäßige Schritt feiner Mutter ins Alter hinein gab nicht nach, und die dem Jakob gesetzte Distance blieb unabänderlich.

Da hatte eines Tages der liebe Jakob seine Mutter zum 60. Geburtstag zu beglückwünschen. Dabei rollten der Mutter zwei große Tränen über die geröteten Bäcklein, und als sie sich mit der Schürze übers Gesicht fuhr, sagte sie: „Jakob, und Du wirst nun 35 nächste Woche. Es ist nun die höchste Zeit für dich, dass du eine Frau ins Haus führst.“ –

Sie dachte dabei nicht an die Wiegenlieder. Die Geburtstagsnummer rief aus dem praktischen Sinn der Mutter den Gedanken hervor, dass es gut wäre, wenn sie die Schnur noch für den Jakob und seine Wirtschaft ein wenig zurichten könnte.

Wenn Jakob in Verlegenheit kam, fuhr er mit der linken Hand ans Kinn. Mit dieser Verlegenheitsäußerung verließ er stumm die Stube. Er fühlte wohl, dass seine Mutter recht hatte, und schämte sich vor ihr.

Er duckte sich durch die Hintertür, als hätte er keine guten Briefe, und ging in Gedanken – eigentlich gedankenlos – auf dem schmalen Pfad eines Wiesgründchens dahin – immer weiter und weiter – und kam endlich in den Wald, wo er auf den „neuen“, spazierengehenden Pfarrer stieß, der vor sechs Wochen auch dem Jakob einen Besuch gemacht hatte. Beide Herren waren übrigens im Wirtshaus bereits gesellig einander näher gerückt. Wenn der „Bildungsgrad“ des Jakob dem Herrn Pfarrer auch bald klar vor Augen stand: mit dem „reichen Querengässer“ darf er's als Landgeistlicher in diesem Punkt nicht so genau nehmen. Du lieber Gott! Was gibt dem Menschen den Wert in der Welt? Was verhilft ihm zum Ansehen? – Wenn beim Pfarrer „Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut“ des Jakob in die Waagschale fiel, so war das zwar nicht recht geistlich, aber es nahm’s ihm kein Mensch übel. – „Fromm Gemahl, fromme Kinder?“ – In diesem Punkt war der Pfarrer so arm wie Jakob. Darin beruhte eine Art Verwandtschaft der beiden Herren. Zwar war der Pfarrer ein Jahr jünger als der Jakob; aber in diesem Alter spielt ein Jahr keine Rolle mehr für einen Junggesellen.

Der Jakob fühlte sich heute, nach dem Vorhalt seiner geliebten Mutter, beinahe als ein Leidensgefährte des Pfarrers. Und das weiche Gemüt des Geistlichen musste das spüren. Denn er schüttelte dem Jakob gar herzlich die Hand, wie in offenbarer Freude über das unverhoffte Zusammentreffen da im Wald, der jedes Gemüt in einen Zauber gefangen nimmt und aus der Welt herauslöst wie zur feierlichen Einkehr in sich selbst. Und wenn da Zwei in ein Gespräch kommen, so ist das doch ganz anders wie im Wirtshaus, oder auf dem Jahrmarkt. Da geht’s so recht aus dem Herzen zum Herzen.

Mein lieber Herr Querengässer, wie geht's?“

Dank der Nachfrag, Herr Pastor! Wie’s halt bei einem gehen kann, dem’s am Besten fehlt.“

Jabobs Antwort klang ein wenig elegisch, – wie aus einem Bann heraus, in den seine Gedanken durch die Muttermahnung gewiesen worden waren.

Ja, mein Bester! Er Iebt doch im Vollen auf seinem schönen Besitz, wie ein König! Ich begreife seine Klage nicht.“

Hand aufs Herz, Herr Pastor! Dort fehlt's Ihnen auch am Besten.“

Vollkommen sind wir alle nicht. Aber da, wo's Ihm und mir fehlen soll nach Seiner Behauptung, braucht nur Barmherzigkeit zu sitzen und ein gutes Gewissen. Und ich hoffe doch, dass wir beide weder der Hartherzigkeit noch Gewissenlosigkeit geziehen werden können. Er muss sich ein wenig deutlicher ausdrücken, Jakob!“

Was mir fehlt, hat mir heut meine Mutter vorgehalten. Und wenn Ihre Mutter noch Iebte und Sie sie bei sich hätten, so würde sie Ihnen gleich sagen, was Ihnen auch fehlt.“

Aha! Da soll’s hinaus? Ja freilich, mein lieber Herr Querengässer! Da hat Er wohl recht. Aber wie's so geht in der Welt. Erzähle Er mir doch ein wenig davon, wie's gekommen ist, dass es Ihm noch am Besten fehlt. Ich kann dann auch mit einem Liedchen davon dienen. Setzen wir uns doch ein wenig! Es ist da im lieben Wald so heimlich und traulich, dass einem das Herz aufgeht.“

Der Pfarrer setzte sich auf einen mit dürren Nadeln bedeckten Rand, und Jakob postierte sich auf einen Kiefernstock, über dessen Schnittfläche er erst mit der Hand strich im Gedanken an den teuren Stadtschneider.

Schön so! Nun können wir einmal einander die Herzen ausschütten“, begann der Pfarrer.

Jakob fuhr mit der linken Hand ans Kinn und sah anfangs ein wenig nach der Seite hin, als hätte er etwas von einem alten Kiefernstamm abzulesen. Nachdem er zum Überfluss auch einmal gehustet hatte, begann er zu erzählen.

Sehn Sie, Herr Pastor! Da war ein wohlhabendes Bauernmädchen, die ich aufs Korn genommen hatte, Herrgott, vor zehn Jahren schon! – Einmal zum Kirmestanz sah und hörte ich, dass die wohl für einen Schweinehirten gut genug wäre, aber nicht für mich und auch nicht für meine Mutter. Da schämte ich mich, und das Heiraten war mir auf etliche Jahre vergangen. – Mit der Zeit verlor sich „der Grau“, der mir damals angekommen war. Und um nicht wieder übel anzukommen, sah ich mich nach reputierlichen Mädchen um. War da meinem Schneider in der Stadt gegenüber der Laden eines braven Bürgers. Da half auch die hübsche Tochter mit verkaufen. Und weil sie so freundlich war, kaufte ich nur in diesem Laden. Ich wurde wie ein guter Bekannter von dem Mädchen ausgezeichnet und dachte so im Stillen bei mir: das kann was werden. Diese stillen Gedanken nisteten sich fest bei mir ein. Es mag auch hie und da ein Wort von mir gefallen sein, wodurch es dem Mädchen leicht geworden ist, mir in die Karten zu gucken. Das Frauenzimmer wurde immer freundlicher und zutunlicher. Da denke ich: Sakerlot! Nun wird's Zeit! Ich schreib einen Brief und geb ihn meiner Bügelfrau mit. Dahinein hatte ich geschrieben, was ich zu tun gedächte. – Mit meiner Wäsche brachte meine Bügelfrau auch ein Brieflein von meiner Allerliebsten. Darin stand, dass sie nicht aufs Dorf ziehen möge, und dass ihr einer, der kein Wort ordentlich schreiben könne, überhaupt nicht passe. Wie mich das gekränkt hat, Herr Pastor, das können Sie gar nicht glauben. Ich verfluchte das Zeug und dacht nicht mehr ans Heiraten. Aber heut, zu ihrem 60. Geburtstag, hat mir meine Mutter einen Floh ins Ohr gesetzt, der mir wohl recht Beschwerden machen wird.“

Da muss ich doch im Vorbeigehen Seiner Frau Mutter noch gratulieren. – So! Nun ist wohl die Reihe an mir, mein lieber Herr Querengässer. Bei mir grenzt die Sache schon mehr an Verrat. Als ich noch jünger war, konnte ich nicht an das Heiraten denken, weil meine Besoldung zu gering war. Und später, als ich eine Frau hätte ernähren können, lachte mir die Tochter eines Porzellanfabrikbesitzers, in dessen Familie ich gern gesehen ward, wie Milch und Blut entgegen, daß mir das Herz aufging. In stiller Hoffnung auf einen glücklichen Ehestand lebte ich da in fröhlicher Geduld hin wie einem festbeschlossenen Glück entgegen. Ich brachte es in jenem Ort dahin, dass eine neue schöne Schule gebaut wurde. Der alte Lehrer erfreute sich aber des Baues nicht lange, denn der Tod raffte ihn bald hin. Nun kam ein junger Lehrer von stattlicher Erscheinung und gewandt in geselligen Formen.

Der ging tapfer drauflos und wusste die Fabrikbesitzerstochter zu umgarnen. Er war jünger als ich, hatte eine neue hübsche Wohnung und schlug so den Älteren im alten Pfarrhaus siegreich aus dem Feld. Ich hatte das Nachsehen und das Vergnügen, die Leutchen zu kopulieren und auf der Hochzeit ein Vivat auf sie auszubringen. Wie heiß mir dabei ward, das kann Er sich denken, mein lieber Herr Querengässer. – Aber meines Bleibens dort war nun nicht mehr. Ich ließ mich bald darauf hierher versetzen. Nun sag Er, wer von uns beiden am schwersten gekränkt ward.“

Jakob griff mit der Linken ans Kinn und sah seitwärts wie in Gedanken verloren nach der alten Kiefer. Es entstand eine längere Pause. – Da sitzen sie vor ihrem Schicksal, jeder gleich einem Sonntagsreiter vor der bockbeinigen Mähre, die ihn in den Sand geworfen hat.

Horch, aus der Stille des Waldes heraus wird der Fußtritt eines Menschen vernommen. – Sieh da! Der Herr Modelleur Rauchenbach. – „Guten Abend, meine Herren! Bitte, lassen Sie sich nicht stören! Behalten Sie ganz ruhig Platz, meine Herren! Ich werde mich ein wenig bei Ihnen niederlassen, – habe zwar ein hübsches Dürstchen, aber es wird mir auch gut tun, erst ein wenig zu ruhen, denn ich komme von der Wüstenhofsmühle. Nachher gehen wir doch zusammen ein Stündchen ins Wirtshaus.“

Nachdem der Herr Modelleur beiden Herren die Hand gereicht hatte, setzte er sich zwischen beide auf den nadelbedeckten Rand. „Da ist es ja prächtig! – Ich habe wohl eine angenehme Unterhaltung der Herren gestört? Wenn's Ihnen möglich ist, bitte ich um Fortsetzung. Mitunter springt „e Profitsche“ raus, sagt der Jud.“

Jakob fuhr wieder mit der Iinken Hand ans Kinn und sah seitwärts nach der alten Kiefer.

Aber der Herr Pfarrer erwiderte: „Wir haben einander erzählt, wie es kam, daß wir beide noch Iedig sind. Sie brauchen wir nicht nach dem Grund Ihres Junggesellenstandes zu fragen; Sie tragen das „Jung“ noch mit Recht.“

Und doch, Herr Pfarrer, wäre ich nunmehr verheiratet, wenn mir’s nicht „krumm“ gegangen wäre.“

Da fuhr Jakob herum nach dem Modelleur und riß Augen und Mund auf: „Sollte man so was für möglich halten?“, dachte er.

Und der Herr Pfarrer sah seinen Nachbar auch verwundert an und sagte: „Nun bin ich doch neugierig – wenn man's hören darf – was Sie in diesem Punkt für Erfahrungen gemacht haben.“

Ja, meine Herrn, irren ist menschlich! – Ich hatte ein allerliebstes Schätzchen in meiner früheren Stellung, ein charmantes Käferchen mit griechischer Nase, dunklen Augen, üppigwallendem Haar, etwas vollen, jedoch wundervoll geschweiften Lippen, zwischen denen hervor ein kieselweißes Zahnwerk blitzte.“ –

Jakob griff mit der linken Hand ans Kinn. „Kurzum, so wundervoll, mit so kühnem Nacken, überhaupt so klassischer Büste“ – der Hals des Herrn Pfarrers wurde immer länger und sein Mund immer spitzer – „dass alle Mädchen, die ich in Ton zu gestalten hatte, ein wenig von den Herrlichkeiten meines Schätzchens zu naschen bekamen. Denn kopieren!? Das war unmöglich. Dazu hätte ein Michel Angelo gehört. Dahin reicht bekanntlich meine Wenigkeit nicht. – Wir waren artig in einander verliebt. Doch das Unglück schreitet schnell! – Sitz ich einmal im Busch und lausche dem Vogelgesang. Kommt mein Schätzchen an den Bach, zieht Schuh und Strümpfe aus u. s. w., – kurzum, schickt sich an, in einem nicht allzutiefen Tümpel ein Bad zu nehmen. Da sehe ich, meine Herren, denken Sie sich den Schrecken! Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut, wenn ich dran denke! Da sehe ich, dass meine klassische Schönheit – – krumme Beine hat. –

Ich denke, mich rührt der Schlag, bleibe aber ruhig sitzen, muckse nicht und drücke die Augen zu, bis das Badegeschäft zu Ende ist und mein Ideal sich entfernt hat. Sehen Sie, – so krumm ist mir's gegangen.

Ein Mann, der in München auf der Akademie sich zwei Semester beschäftigt und mit Heißhunger alle weiblichen Schönheitsgesetze in sich aufgenommen hat, mit einem krummbeinigen Weib! – Haarsträubend floh ich hierher. –

Da bin ich nun – gewährt mir die Bitte! – in Eurem Bunde der Dritte.“

Jakob Querengässer sperrte wieder Augen und Mund auf und starrte den Modelleur an als ein ihm nunmehr verbündetes Wundertier.

Der Pfarrer aber Iachte hell auf und sagte: „Meine Herren, man sieht da wieder, wie eigensinnig das Schicksal mit Unsereinem umspringt. Wer hätte an krumme Beine gedacht bei der Wahl eines Ehegesponses? – Aber der Herr Modelleur hat gewissermaßen Recht. – Wir wollen nun aber dem lieben Herrn da doch ins Wirtshaus folgen, da nunmehr sein Dürstchen zu einem artigen Durst aufgeschossen sein dürfte. Brechen wir also auf!“ –

Der Herr Pfarrer empfand plötzlich beim Aufstehen ein verdächtiges Krabbeln und Jucken auf dem Leib, und der Herr Modelleur drückte und zupfte auch an sich herum. Es stellte sich bald heraus, dass beide Herren von Ameisen heimgesucht und befallen worden waren.

Dachte anfangs, das Beißen und Zwacken auf der Haut sei durch den Gedanken an die krummen Beine hervorgerufen worden“, meinte der Tonkünstler.

Jakob Querengässer war, wie steif vor Verwunderung über Rauchenbachs Heiratshindernis, am längsten sitzen geblieben. Als er sich aufrichten wollte, war es, als ob eine unsichtbare Macht sich gegen sein Vorhaben stemme. Das ursprünglich trockene Harz an der Schnittfläche des Kiefernstockes war von der Wärme der Heiratsschattenseite weich geworden und hatte sich mit dem Boden der Stadtschneiderhose in so energische Verbindung zu bringen gewußt, daß Jakob nicht los kommen konnte. Er fuhr sich mit der Linken ans Kinn, ermannte sich aber rasch und sprang gewaltsam in die Höh. Das dadurch hervorgerufene Geräusch sagte ihm aber sofort, wieviel es geschlagen hatte. Die Rockschöße hatten nun hinter Überschüssigem einen ganz unangenehmen Defekt zu decken.

Als die Herren an Jakobs Haus kamen, wandte sich dieser ausflüchtig dem Eingang zu mit dem Versprechen, bald ins Wirtshaus nachzukommen.

Dem Pfarrer aber fiel der Geburtstag der Witwe Querengässer ein. Er nickte dem lustigen Modelleur zu: „Komme gleich nach!“ und folgte dem Kob über die Türschwelle. Dieser verschwand hinter einer Kammertür, und der Herr Pfarrer brachte der Frau Querengässer seine Geburtstagsglückwünsche dar.

Ja, sehen Sie, Herr Pastor, wenn sich's einmal schockt, so ist das keine Kleinigkeit! Und mein Jakob hat noch nicht einmal an einen Succurs für mich gedacht.“

Ja, ja, ja! Euer Jakob und ich haben eben droben im Wald davon gesprochen. Wir müssen uns einmal unter den Töchtern des Landes umsehen.“

Freilich, freilich, Herr Pastor! Reden Sie meinem Sohne zu, dass er mir bald eine Schnur ins Haus bringt.“

Gewiss, Frau Querengässer. Wollen zusehn, ob wir in Jahr und Tag vergnügte Kindtauf mit einander feiern. Adjes!“

Jakob sah zur Stubentür hinein und hatte des Pfarrers Redeschluss vernommen, und alle drei lachten gut aufgelegt.

Die gute Mutter war damit in recht gute Laune gekommen und vagierte im Haus herum wie um ein halb Schock leichter.